Die Bier- und Garten-Tour
Kuriositäten auf den zweiten Blick
Pfalz + Sachsen-Anhalt + Franken
Aug./Sept. 2021
Zitat
"Tausend tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen … " (Sesamtraße)
Zitat Ende
Auch und vor allem mitten in Deutschland.
Während ihr in Italien wart (weil es endlich wieder geht), und dort nur am Pool gelegen seid, haben wir ein paar Schmankerl abgecheckt.
PFALZ
Der erste Halt bringt uns (familiär) in die Pfalz. In den Pfälzer Wald, mitten im Nichts, hier gefällt es uns.
In Waldfischbach-Burgalben stehen und liegen, hinter der Gemeindeverwaltung, in einem kleinen Park, ein paar alte Steine, auch und vor allem Grabsteine. Die Pflastersteine sind alles andere als
einheitlich, und die ganze Anlage wirkt ein wenig schräg und deshalb interessant.
Einer der Steine liegt, wurde schon in der Mitte halbiert, wie die alte Schrift unschwer erkennen lässt – während oben eine neue Platte mit Inschrift angebracht wurde. Ein recycelter Grabstein?
KAISERSLAUTERN
Japanischer Garten
Der größte seiner Art in Deutschland (nach eigener Aussage, sogar in Europa, behaupten sie). Die Hanglage hilft ihm sehr, wie wir finden – sie ermöglicht einen Bachlauf, Wasserfälle und
verschlungene Wege. Beim Imbiss gibt es importierte Küchlein und original japanische Leckerlies.
Stiftskirche
Um 1250 im gotischen Stil neu errichtet, evangelisch, eine der größeren Kirchen der Stadt und der ganzen Pfalz. Kreuzgang und eine Kapelle wurden im 18. Jh. abgerissen, bei Luftangriffen im 2.
Weltkrieg stark beschädigt, der Hauptturm wurde danach in vereinfachter Form wieder aufgebaut. Dennoch ist sie sehenswert und vermittelt immer noch eine magische Aura von Mittelalter.
Kaiserpfalz
Fundstücke aus dem 6. Jh. v. Chr. weisen auf eine alte dauerhafte Besiedlung hin. Im 7. Jh. n. Chr. als Befestigung neu aufgebaut, 830 als karolingische Anlage bezeugt, im 10. Jh. kam eine neue
Wehrmauer hinzu, Kaiser Barbarossa hat sie als Pfalz ausbauen lassen.
Später kam ein Renaissanceschloss direkt daneben, 1688 wurde im Pfalz. Erbfolgekrieg alles stark beschädigt, 1703 von den Franzosen erst in Brand gesetzt, dann gesprengt.
1714 wurden Teile der Überreste zu einem Jagdschloss ausgebaut, 1792 während der Franz. Revolution niedergebrannt. Die Reste wurden auf Abbruch verkauft, dann wurde ein Gefängnis darauf
errichtet, später eine Brauerei. In den 1930ern wurde alles „Moderne“ entfernt, heute ist es wieder eine Ruine.
In den Gewölben darunter wartet übrigens Kaiser Barbarossa, von den Türken verflucht, darauf dass die Raben nicht mehr kreisen und er zurückkehren kann.
(Cracks erkennen die Kollision mit dem Kyffhäuser in Sachsen-Anhalt, wo er ebenfalls auf seine Rückkehr wartet).
Abends, beim Mexikaner, sehen wir 4 Flugzeuge von der nahen Ramstein Air Base starten – 2 Transporter und 2 Passagiermaschinen. Aktuell läuft die Evakuierung aus Afghanistan, die Flüge von dort
in die USA werden über Ramstein gedreht. Deswegen dürfen wir sie derzeit nicht betreten (es ist einfach schon zu voll).
SACHSEN-ANHALT
Nach so viel Spannung fahren wir in die neuen Bundesländer.
Als die A 7 endlich abzweigt, verlassen wir den Stau, fahren auf der A 4 fast alleine, als wolle niemand in östliche Richtung weiter. Für uns ein gutes Zeichen.
Kaum über die Grenze nach Thüringen, läuft schon ein Stück von Wolfsheim im Radio (MDR). Hier sind wir richtig. Und zum Frühstück hören wir am nächsten Morgen etwas von Depeche Mode. Na
also.
Wir sind in Wartenburg, südlich der Elbe, mitten im Nichts. Hier fühlen wir uns wohl. Von hier aus machen wir Ausflüge.
Wartenburg
Durch die Schlacht von Wartenburg 1813 ist der Ort bekannt. (Ich selbst habe erst jetzt davon erfahren, weil wir hier übernachten, spazieren und uns damit befassen). Napoleons Armee musste sich
nach einer großen Niederlage aus Russland zurückziehen. Preußen, Russland und (später) Österreich hatten eine Allianz gegen ihn gebildet. General Yorck war es in den Morgenstunden des 3. Oktober
1813 gelungen, mit seiner Armee die Elbe zu überqueren. Am Ende dieses Tages hatte Napoleon beschlossen, nach Westen auszuweichen. Bei Leipzig konnten ihn die gegen ihn Verbündeten einkesseln,
was zur Völkerschlacht führte … Yorck wurde in den Adelsstand erhoben („Von Wartenburg“), und mit Napoleon ging es bergab (offiziell 1815, nach der Schlacht beim belgischen Waterloo).
Schloss Wartenburg, aus dem 16./17. Jh., wird seit 1946 karitativ genutzt.
Die Kirche St. Petri wirkt für den kleinen Ort zu groß. 1875 wurde der gotische Bau wegen Baufälligkeit abgerissen, und 1876 neogotisch neu gebaut. Der Turm von 1727 blieb stehen. Sie ist nur für
Veranstaltungen geöffnet, wir sehen uns im verwunschen wirkenden Hof um, wo alte Grabsteine stehen, der Efeu wuchert und uns Stoff für Geschichten liefert …
Apfel- und Pflaumenbäume, Sonnenblumen und wilde Wiesen wachsen hier ungestört, es ist herrlich altmodisch, Stare flattern herum, viele Spatzen, Rauchschwalben im Extremst-Tiefflug … Wir fühlen
uns wohl.
Dessau
Technik-Museum Hugo Junkers
(7 EUR p.P.)
Flugzeug-Nerds (wie mir) ist der Name Junkers natürlich ein Begriff. Freunden von Boilern und warmem Wasser ebenfalls. Es ist die gleiche Firma.
Begonnen hatte alles in Dessau, tatsächlich als Werk für Gasöfen. Gas war neu, also dessen Verfügbarkeit sowie die industriellen Methoden zur Gewinnung, Wohnungen wurden damit versorgt, um damit
kochen zu können. Warum nicht einen Aufsatz entwickeln, der das Gas verbrennt und die Wohnung damit heizt?
Junkers war immer ein Pionier. Das erste Ganzmetall-Flugzeug (ist ja nicht viel anders als ein Boiler). Und: mit der F13 das erste Flugzeug für Passagiere, das über eine Kabine verfügt, inkl.
Druckausgleich. Was bedeutet das?
Fliegen geht so: Piloten, wie auch die ersten Passagiere, sind „draußen“ gehockt. Geflogen wurde auf Sicht, da stört ein Fenster eher. Da es oben kalt ist, sehr kalt sogar, muss die Kleidung das
ausgleichen. Gemütlich im Innenraum zu sitzen, bei „normalem“ Druck, der auch am Boden herrscht, und frei atmen zu können – dafür braucht man eine dichte Kabine, und ein Gassystem, das den
Innendruck reguliert. Genau das war die Neuerung.
Die legendäre „Tante Ju“, aka Ju 52, war eines der mistgebauten Flugzeuge der 1930er Jahre. Einige wenige Exemplare fliegen heute noch. Vor unserem Wohnzimmer z.B. fliegt öfters eine vorbei (das
Dt. Museum München, sowie die Schweizer Ju-Air betreiben je 1 Flugzeug). Von Dessau aus in alle Welt – denn unterwegs waren sie damals wirklich (fast) überall.
Dezent ausgelassen wurden die Ju 87 (Stuka, bwz. Sturzkampfbomber) und die Ju 88 (Standard-Bomber der Deutschen im 2. WK). (Ja: ich war wirklich Nerd).
Dazu konnte ich allerdings herausfinden: Hugo Junkers wurde abgesetzt und unter Hausarrest gestellt. Mehrere Flugzeugwerke wurden unter dem Namen Junkers vom 3. Reich hochgezogen. Insofern
verstehe ich, dass das Museum dieses Kapitel auslässt.
Und wer glaubt (wie ich), das Zeug, das vor dem Museum herumsteht, also gratis zu sehen ist, wäre cooler – nein, auch innen gibt es viel Kurioses, plus die Erklärungen dazu. Zum Beispiel:
Nachbauten der ersten Versuchs-Raketen, sowj. Flugsimulator, viel aus sowj. Produktion (bei uns eher nicht so üppig).
Immerhin: vor dem Haus stehen die Su-22 neben einer MiG-21, die alten Rohre des Windkanals, eine alte Eisenbahn.
l.o.: die Suchoi Su-22. Obwohl ich MiG-21 Fan bin (die steht gleich daneben) ist die Su-22 cooler. Warum? Weil alles von Suchoi cooler ist ...
r.o.: der alte Windkanal aus den 1930-er Jahren an seinem Original-Standort
2.v.o.r.: die F13, das erste Flugzeug mit Kabine, das heißt auch Heizung und Druckausgleich darin, so dass es an Bord nicht viel anders ist als am Boden (heute in jedem Verkehrsflugzeug Standard)
3.v.u.l.: die Ju-52 aka Tante Ju. Einzelne Exemplare fliegen heute noch und bieten Sitzplätze an
3.v.u.r.: Davor hatte Junkers Boiler gebaut, die ganze Zeit, und die Marke existiert bis heute
2.v.u.l.: die legendäre MiG-15 aus den 1950ern (die z.B. den Westmächten im Korea-Krieg einen Schock eingejagt hatte, ob ihrer Wendigkeit)
2.v.u.r.: ein Flugsimulator sowj. Bauart
u.l.: Details zum Windkanal
u.r.: die alte Werkshalle, in der das Museum untergebracht ist
Bauhaus-Museum
(8,50 EUR p.P.)
Vorab: das Original-Bauhaus ist woanders in Dessau.
Bauhaus – was ist das, was soll das?
Die Entwicklung hin zu industrieller Massenproduktion war bereits geebnet. Künstler und Handwerker stemmten sich noch dagegen (der Jugendstil ist u.a. in diesem Kontext zu sehen …).
Am 1919 gegründeten Bauhaus arbeiteten Lehrer und Studenten viel daran, diesen Massenprodukten ein Gesicht zu geben, eine Form, derer man sich nicht zu schämen braucht. Es gilt also als
Geburtsort und Labor des modernen Designs.
-> Was ist denn daran so toll? Ein Schulhaus mit Flachdach, die „Meisterhäuser“, die aussehen wie jedes Reihenhaus? Und die Möbel sehen heute genauso aus …
Es waren die ersten ihrer Art.
- Das Flachdach ist typisch für die Moderne. Zuvor waren Dächer, zumindest in unseren Breiten, fast immer spitz (damit Wasser und Schnee ablaufen).
- Die Raumaufteilung war durchdacht. Außerdem gab es in der kleinen Küche schon Einbauküchen (eine absolute Neuerung).
- Stühle aus Stahlrohr, mit Stoff bespannt: auch an diesem Prinzip hat sich bis heute nicht viel geändert.
- Es waren Moderne Zeiten, damals …
Im Dritten Reich hatten sie es schwer, waren zu wenig patriotisch etc., eine Nähe zum Sozialismus, Kommunismus und folglich Bolschewismus (ja: das hinkt) wurde ihnen unterstellt. Viele der
Designer und Architekten sind in der Folge ausgewandert. Ihre Experimentierfreude mit Materialien, Formen und Möglichkeiten hatte z.B. in den USA die ersten Wolkenkratzer entstehen lassen … mit
kräftigem Input des Bauhauses Dessau.
Was uns noch auffällt: das Bauhaus-Museum ist in der Innenstadt, somit weit weg vom Bauhaus. Und von Innenstadt bzw. Altstadt erkennen wir nicht so wirklich was. Uns kommt es vor, als wolle die
Stadt Touristen hierher locken, damit sie noch ein wenig in der Stadt verweilen (und Geld ausgeben).
Lutherstadt Wittenberg
Hier dreht sich alles um Luther. Der große Reformator (gebürtig in Eisleben, ebenfalls „Lutherstadt“, na sowas), hatte hier seine Wirkungsstätte gefunden.
Nachdem er sich sehr intensiv mit der Bibel befasst hatte, sie auf deutsch übersetzt hatte (unter dem Schutz des Sachsenherzogs, auf der Wartburg bei Eisenach), und sich Unmut
über die Ablassbriefe breitgemacht hatte, steuerte er seine 95 Thesen bei, um gegen diese Praxis zu argumentieren.
Der Reihe nach:
- Der Vatikan brauchte Geld, um in Rom die größte Kirche der Christenheit zu bauen
400 Jahre Fegefeuer o.ä. bleiben dir, oder deinen Verwandten, erspart, wenn du so einen Brief kaufst. Na?
- Viele in Deutschland hatte das misstrauisch gemacht
- Also suchten sie nach irgendetwas, das ihnen ihre Abneigung legitimieren kann …
- Luther hätte voll auftrumpfen können, indem er sich als Held oder Anführer etc. vorgestellt hätte
- Stattdessen hatte er eine theoretische Herleitung, in Form von 95 Thesen, ausgearbeitet
- Und diese an eine der Türen der Schlosskirche angebracht, um theologische Diskussionen darüber zu beginnen
- Die Kirche selbst lehnte solche Diskussionen überraschenderweise ab
Die Original-Tür, an welche die Thesen angeschlagen wurden, war einem Brand zum Opfer gefallen. Dafür gibt es seit 1875 eine neue Bronzetür, mit schicken Buchstaben darauf. Nicht irgendwelche,
sondern die 95 Thesen.
In den Läden entlang der Straßen der Innenstadt gibt es deutlich weniger Luther-Chichi als bei unserem letzten Besuch (der war so um 2017, also zum großen Jubiläum des Thesenanschlags). Sogar die
Flaschen mit dem Luther-Bier fehlen in den Schaufenstern …
u.: die Wilkana-Kekswelt, Werksverkauf mit Café. Hier haben wir uns mit Keksen eingedeckt.
Wir mögen und unterstützen die Produzenten in den neuen Bundesländern.
Coswig
„Coswig (Anhalt) grüßt seine Gäste. Pizza, Pasta, Caravan-Camping-Platz“ (o.ä.) prangt ein altes „Mural“ am Ortseingang (leider kein Foto von mir).
Ich parke am Bahnhof, um Fotos zu machen. Laufe quer durch, zum Marktplatz. Sehe jede Menge typischer Motive, dafür kaum Menschen. Die meisten Häuser wirken unbewohnt. Ich fühle mich wie in einer
Geisterstadt. (Ich weiß dass ich der Stadt damit Unrecht tue, aber das war wirklich mein Eindruck).
Elster (Elbe)
Mit der Pendelfähre setzen wir über (kl. Auto mit 2 Insassen = 3,50 EUR). 6 Autos haben Platz, ob unserer Herkunft werde ich gleich ins Gespräch verwickelt. Die Überfahrt passiert lautlos, das
Boot hängt an einem langen Seil und bewegt sich durch Klappenstellung. Der junge Fährmann interessiert sich mehr für die Fische in oberbayr. Gewässern – Wasser ist wirklich sein Element. Nach 2-3
Minuten sind wir rüber, fahren durch Feuchtwiesen, mit hohem Gras und einzelnen Bäumen.
Magdeburg
(Bauboom seit tausend Jahren, oder so ähnlich …)
Das neue Jerusalem (der Dom):
Mit der Schlacht auf dem Lechfeld (bei Augsburg) 955 endete die Schreckenszeit der alten Ungarn. Plündernd waren sie etwa 60 Jahre lang durch Mitteleuropa gezogen, hatten Angst und Schrecken
verbreitet – und die Wehrlosigkeit des Ostfrankenreiches aufgezeigt. Nach dieser Schlacht war Otto I. kein umstrittener Herrscher mehr, sondern so etwas wie der Retter des Abendlandes.
In Magdeburg wollte er seine neue Residenz bauen, ein neues Jerusalem. Magdeburg war damals in etwa die östlichste Stadt Deutschlands, dahinter lebten slawische Völker. Diese wollte Otto
christianisieren, seinem neuen Bistum eingliedern, und damit auch seinem Reich. Der Dom stand dabei im Mittelpunkt – und ist eins der wenigen Überbleibsel aus dieser Zeit. Romanisch begonnen,
gotisch vollendet, von Napoleon als Stall missbraucht. Und einer der größeren im Lande.
Eintritt frei, Foto-Erlaubnis 2,- EUR
Die neue Stadt
Im Dreißigjährigen Krieg und im 2. WK wurde die Stadt schwer zerstört. Stalinistischer „Zuckerbäcker-Stil“, Fußgängerzonen mit Trambahnlinien, Plattenbauten im Zentrum (damit Arbeiter und kleine
Angestellte nicht an den Stadtrand verdrängt werden) – all das gab es hier. Der Platz um den Dom war ziemlich leer. Nach und nach füllt sich die Innenstadt mit Straßen, Einkaufszentren,
Gastronomie. Die „Grüne Zitadelle“ von Hundertwasser (sein letztes Werk) wurde 2005 fertiggestellt, daneben kamen Gebäude für Shopping und Gastronomie hinzu.
Schicke Altbauten flankieren die Otto-von-Guericke-Straße. Sie ist nach dem Erfinder der Magdeburger Halbkugeln benannt. Das kennt ihr bestimmt noch aus der Schule:
- 1656 baute er 2 Halbkugeln, die zueinander passen
- Die Vakuum-Luftpumpe (zum Luft ziehen, anstatt zu pumpen) hatte er bereits entwickelt
- Damit hatte er die Luft aus den aneinander gelegten Kugelschalen gepumpt
- 2-3 Pferde zogen auf jeder Seite
- Und schafften es dennoch nicht, die beiden Hälften wieder zu trennen
- Daraus folgern wir: Vakuum existiert, Luftdruck auch, und dessen Kraft ist nicht zu unterschätzen
l.o.: Modell der Magdeburger Halbkugeln, Leiterstr.
r.o.: Faunenbrunnen, Leiterstr.
u.: Otto-von-Guericke-Str.
St. Sebastian
(Günter-Särchen-Str.)
Nachdem der Dom evangelisch ist, mussten sich die Katholiken ein neues Zentrum für ihr Bistum suchen. Anfänge um 1015, gotischer Neubau auf dem Grundriss der früheren romanischen Kirche, nach
langer Übergangszeit aus Aufbau, Verfall und Zwischennutzung, ab ca. 1850 wieder Nutzung als Kirche. Heute ein interessanter Stilmix. Eintritt frei.
Auf geraden Straßen fahren wir wieder über flaches Land. Ein Stopover in Leipzig gehört einfach dazu. Neben Plagwitz (wieder mal) schauen wir uns (nochmals) den Zoo an.
r.u.: die alte Swiderski-Fabrik an der Zschocherschen Straße, Ecke Markranstädter Str., gegenüber vom Lidl
Zoo Leipzig
(22,- EUR p.P.)
Highlights: rosa Löffler, Sichler, Weißnackenkraniche.
Das Teichhuhn-Küken läuft tapfer zwischen den Bistrotischen der Bescucher herum.
Was ist besser als ein Graureiher? Richtig: acht Graureiher. Die halten sich einfach hier auf, ohne zum Zoo zu gehören. Das gefällt mir.
Der Kakadu: kann seinen Fuß nach oben drehen, und so sein Futter damit halten. Das kann, soviel ich weiß, kein anderer Vogel.
OBERFRANKEN
Hügel rauf, Hügel runter, wieder rauf, … Durch alte Dörfer. Nicht immer sehe ich um die Ecke, fahre auf Sicht. Nicht immer ist mir klar, wo ich abbiegen soll. Die Kreuzigungsgruppe mit den
Steinfiguren und Blumenbeeten gibt es schon länger als den modernen Kraftverkehr. Nehme ich die schmale Spur vor ihr (mit der Gefahr von Gegenverkehr), oder schlage ich den Haken um sie herum
(mit der Gefahr andere damit zu irritieren)? Wir beziehen unsere letzte Ferienwohnung, in einem kleinen Dorf, mitten im Nichts.
Doch in jedem Dorf, wirklich in so gut wie jedem Dorf gibt, gibt es eine Gastwirtschaft, meist mit Biergarten. Und dort sitzen die Einheimischen, und die Touristen. Wirtshaussterben scheint hier
kein Thema zu sein. Wir sind wieder in Franken, das nicht Bayern ist, auch wenn es politisch dazugehört. Es ist irgendwie eine eigene Welt, und uns gefällt es hier. Von „unserem“ Dorf aus machen
wir wieder Ausflüge.
Basilika Vierzehnheiligen
Bei Lichtenfels. Eintritt frei. Es ist ein Gotteshaus, heißt: keine Snacks, nicht reden, fotografieren nur „diskret“, v.a. ohne Blitz und ohne Stativ, bitte Schultern und Knie bedecken. Also:
ohne to-go-Lebensmittel in der Hand und ohne ständiges Blabla (ja, das ist echt eine harte Übung).
Wer kennt sie nicht, die Erzählungen der älteren Semester? Wenn man in protestantischen Gebieten unterwegs gewesen ist, und dann, ausgehungert und lechzend nach ein wenig barocker Pracht, zurück
in kath. Gebiet kommt – dann, ja dann ist das hier oft eine der ersten Kirchen, an der man Halt macht. Und um wieviel höher schlägt das Herz dann, wenn man das sehen darf! Nicht nur Barock,
sondern gleich dermaßen prächtig, dass einem … Ja, so war das.
Tatsächlich sind heute nur ältere Semester (70+) hier. Viele von ihnen laufen tatsächlich sichtlich verzückt und gutgelaunt herum und werden nicht fertig mit staunen.
Ich werde auch nicht fertig mit staunen – aber das hat wohl deutlich andere Ursachen …
Der Barock und ich – das war schon immer ein sehr schwieriges Verhältnis. Und hier ist eines der Highlights. Ich muss also stark sein, ganz ganz stark. Die Trudelmanöver der Rentner mit
einplanen, und den Aufpasser, mit dem altmodischen, langen Umhang, besser aus dem Weg gehen – nicht dass ich noch in ein Gespräch verwickelt werde, und die Große Harmonie störe …
„Das Ding“ ist übrigens Barock, mit Innenausstattung aus dem Rokoko. Stuckateure aus Wessobrunn waren hier tätig (das ist beim Eibenwald bei Weilheim LINK ).
Und das grafische Auge meiner Frau analysiert schon Sichtachsen, die immer gleiche Figuren und Gemälde in den Fokus rücken, sowie durchgängige Stilelemente.
Das Ganze ist natürlich eine große und inszenierte Show, perfekt durchgestylt.
Ich muss ihm zugute halten, dass ich selten einen derart stringent durchgestalteten Innenraum gesehen habe. Es wirkt nicht über die Jahrhunderte zusammengeschraubt (was ich so liebe), sondern aus
einem Guss. Und das auch noch mit einer Idee dahinter. Das ist eine ernst gemeinte Einladung, sich das Ganze selbst anzuschauen, und sich seine Meinung zu bilden. Oder sich einfach von den alten
Meistern inspirieren zu lassen.
Kurioses entdecke ich dafür im Kirchenführer, zur Geschichte der Wallfahrt hierher. Also:
Der junge Schäfer entdeckt beim Heimtrieb der Schafe 1445 ein weinendes Kind, will es aufheben aber es verschwindet. Ein paar Tage später das Gleiche, nur dass es dazu 2 brennende Kerzen dabei
hat. (Wir wissen ja, dass Schäfer manchmal Langeweile haben, und einem Schlückchen nicht abgeneigt sind).
9 Monate später (die für eine Ausnüchterung reichen sollten) erscheint es wieder, mit Begleitung, die sich als die 14 Nothelfer ausgeben, und sich eine Kapelle an diesem Ort wünschen. Es bedarf
noch einer Wunderheilung, bis das zuständige (und bislang skeptische) Kloster Langheim endlich mitzieht. Oben drauf gibts noch mehrere Ablässe, so dass die Wallfahrt ein voller Erfolg wird.
(Ablass, s.o. gegen wenig (?) Geld werden mir, oder verstorbenen Verwandten, ca. 400 Jahre Fegefeuer o.ä. erlassen). So weit, so gut.
Um den Neubau der Wallfahrtskirche gab es einen langen und harten Streit zwischen Abt und Fürstbischof. Beide hatten weit auseinander liegende Meinungen zu „richtiger und guter Baukunst“. Der Abt
engagierte den Thüringer Protestanten Krohne als Baumeister. Die Pläne stammten damals übrigens von Balthasar Neumann aus Würzburg. Das Geld reichte allerdings nicht, Krohne änderte die Pläne,
die notwendige (und teure) Planierung des Hügelgeländes entfiel, der Ort der Erscheinung lag dadurch am Beginn des Langhauses (anstatt in der Vierung, die der einzig würdige Ort dafür ist), und
die Kirche glich einer protestantischen Betkirche.
Als Neumann 1743 auf Inspektionsreise vorbeikam, flog alles auf. Neumann wetterte dass „alle gemachten lutherischen Nebensprüng“ rückgängig gemacht werden müssten. Krohne wurde entlassen, Neumann
änderte seine Pläne. Dabei korrigierte er die Achse ein wenig, so dass die Doppelturm-Fassade voll auf Kloster Banz, auf der gegenüberliegenden Seite des Tales, ausgerichtet wird. (Deshalb heißt
die Gegend „Gottesgarten“, und beide Bauten sind heute von der Autobahn im Tal aus gut zu sehen). Der Effekt: das Hauptportal liegt somit im Westen, der Wetterseite. Heißt: wenn bei Regenwetter
große Wallfahrergruppen hier rein wollen, regnet es ins Gebäude … Falls sich einer wundert, dass der Eingang auf der Seite ist …
Und anstatt eines Querhauses, das für eine Vierung notwendig wäre, entwarf er ein großes Oval, durch das die Stätte der Erscheinung in Szene gesetzt wurde (wenn die Vierung,
der einzig würdige Ort für diese Stelle, schon definitiv am Geld scheitert …). 1743 war mit dem Neubau begonnen worden, die Arbeiten der Innendekoration zogen sich bis 1772 (als der Klassizismus
bereits vor der Tür stand).
Mehr Kuriosa gefällig?
- Was hat es mit den 14 Nothelfern auf sich? Für bestimmte Belange kann man einen von ihnen anrufen, z.B. wenn ich etwas suche und nicht finden kann … voll praktisch. Dieser Brauch lässt sich bis
ins Mittelalter zurückverfolgen (nein: nicht noch weiter zurück). Der älteste Nachweis ist von 1284, aus dem bayer./österr. Raum.
- Das heißt: ob der Schäfer echte Heilige gesehen hat, oder nur eine aktuelle Modeerscheinung erleben wollte, wird sein Geheimnis bleiben. Denn „echte Heilige“, die tausend Jahre früher das
Martyrium erlitten hätten o.ä., hätten, nach diesem Wissensstand gar nichts davon gewusst, dass man sie zwischenzeitlich zu den Nothelfern zählt (oder liege ich da falsch?).
- Neben der Kirche gibt es 2-3 Wirtshäuser und viele Verkaufsstände (Kerzen, Anhänger, Rosenkränze (die es heute auch nicht mehr überall gibt), nein: keine Flaschenöffner).
- Die Brauerei hinter der Kirche heißt „Trunk“ (die heißt wirklich so), und braut versch. Sorten Nothelfer-Biere. Kombiniert mit obiger Definition eines Nothelfers bekommt Bierdurst hier einen
kuriosen Beigeschmack …
l.u.: schau genau: diese Figur symbolisiert einen Enthaupteten. Deutlich zu erkennen an der Fontäne, die aus seinem Hals hochspritzt. Ja, da muss man genau schauen. Das ist auch der Grund, warum er seinen Kopf in der Hand hält.
r.u.: nein, das ist kein Witz.
Felsengarten Sanspareil
In Sanspareil, bei Wonsees
Friederike Sophie Wilhelmine kam aus Preußen nach Bayreuth. Dort ließ sie gleich mal das Markgräfliche Opernhaus bauen (damit ein wenig Kultur in die Provinz kommt … (in ihren Memoiren beschreibt
sie die Zustände in Bayreuth mehr oder weniger als bäuerisch / provinziell).
Markgraf Friedrich, ihrem frisch anvertrauten Gemahl, hatten seine Männer auf der Jagd ein paar coole Felsformationen im Grünen gezeigt. Schon bald war den Beiden klar, was hier zu tun ist. Den
Felsen wurden Szenen aus der Erzählung des Telemach (Odysseus’ Sohn) gewidmet (damals ein Mode-Buch), manchen von ihnen wurden Türmchen in asiatischem, oder das Belvedere in mediterranem Stil
aufgesetzt, der „Morgenländische Bau“ als Salon sowie ein Naturtheater als Bühne für Aufführungen im Freien gebaut. Ab 1744 wurde gebaut, 1746 wurde der Ort Zwernitz in Sanspareil (in etwa: ohne
Vergleich) umbenannt. Wilhelmine übernahm die Zuordnung der Felsen zu einzelnen Szenen der Telemach-Erzählung. Bei Ausflügen der Bayreuther Markgrafen musste u.a. auch an genügend Küchenpersonal
gedacht werden. Doch bald schon ließ das Interesse wieder nach. Der Weg von Bayreuth ist beschwerlich, Achsbruch & Co. an Kutschen kam des öfteren vor. Außerdem gibt es zu wenig Wasser – und
ohne Wasserspiele war die Anlage zur Barockzeit zu langweilig. Ab 1830 wurden die meisten Bauten „auf Abbruch“ verkauft.
Geblieben ist bis heute eine weitläufige Parkanlage, mit grandiosen Felsformationen, deren „literarische Zuordnung“ sowie das alte Wegesystem. Nur der Wald müsste mehr sein als damals – was es
noch geheimnisvoller wirken lässt.
Die Parkanlage ist „offen“, der Eintritt frei, Parkbuchten an der Straße. Das Café im alten Küchenbau wird bewirtschaftet.
Da denke ich nichts Schlimmes, gehe dort auf Toilette, und muss an der Tür lesen: „König Ludwig II war hier“. Der fehlt mir gerade noch … Wie kam der denn hierher? (Nicht mal in Franken bin ich
sicher vor ihm ...)
In der Hecke, die die Terrasse vom Garten abtrennt, krabbelt ein Grashüpfer.
Und dann setzt sich die „Oma“ des Cafés an einen der Tische auf der Terrasse, liest ihre Illustrierte, raucht eine und macht das Kreuzworträtsel. Es wirkt wirklich wie in den 80ern, als wären wir
in einer Zeitsenke (ein Gefühl, das uns hier oft überkommt).
Das einzige Geheimnis, das Sanspareil für sich behält, ist, wie man auf die Idee kommt, Felsen im Wald mit Episoden eines antiken Romans zu verbinden.
l.u.: in diesem Gebäude ist das Café untergebracht
darüber: der Ausblick von unserem Tisch: ein Grashüpfer in der Hecke. Dass es so etwas Schönes noch gibt ...
r.u.: der "Morgenländische Bau", damals das Hauptgebäude des Parks ...
Wir durften viel, ganz viel entdecken und haben uns wohlgefühlt.
Ich persönlich bin froh wenn ihr lieber am Pool liegt – sonst wären ja noch mehr Leute da unterwegs, wo wir uns herumtreiben. Was ihr dabei versäumt, könnt ihr ja hier lesen. Und klickt auch mal
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ANHANG
Pfalz
in Kaiserslautern
Sachsen + Sachsen-Anhalt
3.v.o.r.: Versteinerte Bäume, vor dem Kulturhistorischem Museum, Otto-von-Guericke-Str. Ecke Anhaltstr.
Die ersten 3 Fotos: Dessau
dazwischen: Magdeburg
Die 5 letzten Fotos: Leipzig
Oberfranken
l.o.: das "Weg-Seidel" - auf bayr. nennt man das eine "Transport-Halbe" = eine Flasche Bier für den Weg. Auf deutsch wäre es ein Bier-to-go. Allerdings in einer umweltfreundlichen Mehrweg-Pfandflasche.
r.o.: und das Vordach dieses Gasthofes sieht aus wie ein alter Braukessel
M.r.: noch Fragen?
M.l.: Burg Aufseß
darunter, leider unscharf: dass Franken nicht Bayern ist, und nur politisch vorübergehend dazugehört, ist im Freistaat nichts Neues ...
Weiterstöbern?
Irgendwo zwischen Sachsen, Thüringen und Franken, im Mittelgebirge, ist diese
kurzweiigen, historische Komödie angesiedelt.
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es ist gratis und völlig unverbindlich.
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