BeLuxTrierMetz
Frühjahr 2008
Im Herzen Europas
Worms, Mainz, Trier, Düsseldorf, Luxemburg, Arlon (BE), Metz (F), Völklingen
ZITAT
„Wo du herkommst, fährst du 4 Länder an 1 Tag.
Aber hier ist das anders. Hier fährst du 4 Tage in 1 Land.“
(Tankstellen-Kassiererin Heather in Ontario, Kanada)
Genau das haben wir vor (4 Länder an 1 Tag). Altes Kulturland im Drei- bis Vier-Länder-Eck anschauen, ohne Grenzen, ohne Geldwechsel.
Unser erster Stopp ist WORMS
Das Nibelungenlied kennt es als Hauptstadt Burgunds. Entstanden ist das Epos höchstwahrscheinlich in Passau oder Salzburg. War der Autor geographisch verwirrt?
Zuerst waren die Römer da. Als die Römer abzogen, siedelten sie die Burgunden dort an, mit der Aufgabe, die Grenzregion zu sichern. Zuvor hatten diese immer wieder mal die
Römer unterstützt, gegen die Alamannen. Allerdings ging es den Burgunden eher darum, gegen die Alamannen zu kämpfen, nicht so sehr für die Römer (das ist ein kleiner Unterschied). Noch dazu waren
die Burgunden mehr an ihrer Unabhängigkeit interessiert, als an der Grenzsicherung – was ihnen erst eine Schlacht mit den Römern einbrachte, danach mit den einfallenden Hunnen, was sie aufrieb.
In der Folge verließen sie den Rhein, zogen Richtung Savoyen/Westschweiz, und siedelten sich als „Foederati“ im Römischen Reich an (dem heutigen Burgund, bzw. der Bourgogne).
Der Chronist Olympiodus von Theben nennt (um 411) den Burgenderkönig „Gundahar“. Wer Ähnlichkeiten mit dem Epos erkennt, weiß, warum sich Worms „Nibelungenstadt“ nennt (und dass der Autor nicht
geografisch verwirrt war).
Uns interessiert hauptsächlich der Wormser Dom, ab 1130 spätromanisch erbaut. Während in Frankreich die Gotik, mit himmelstrebenden Formen entstand, entwickelte sich in Deutschland die Romanik in
hochstrebende und luftige Bauweisen. Figuren von Ungeheuern & Co dürfen natürlich nicht fehlen.
l.o.: das Nordportal des Doms, bzw. "Nibelungenportal" des sog. "Königinnenstreits" aus dem Nibelungenlied:
Die Protagonistinnen Brünhild und Kriemhild streiten sich (auf dem Weg zum Sonntagsgottesdienst), welcher ihrer Ehemänner ranghöher ist. Heißt: in dieser Reihenfolge treten sie ein, und darüber wurden sie sich nicht einig.
Zum übernachten fahren wir weiter nach MAINZ, laufen dort ein wenig herum und besuchen auch hier den spätromanischen Dom, mit barocken Erweiterungen, und bummeln durch die Altstadt.
Tags drauf geht’s mal schnell nach Klein-Tokio aka Düsseldorf. Die Fahrt zieht sich, ich habe die Entfernung unterschätzt.
Wir kaufen japanische Sachen, essen japanische Gerichte, bewegen uns unter echten Japanern. Vor allem im Restaurant, wenn sie einander grüßen und plaudernd in Gruppen beieinander sitzen, fühlen
wir uns wie in Nippon.
Der beste Weg von Düsseldorf nach Trier?
Ist doch klar: über Aachen nach Belgien, an Verviers und Malmedy vorbei, bei St. Vito rechts abbiegen.
Luxemburg: von Nord nach Süd abkurbeln, in Useldingen Kaffeepause machen, danach kurz rüber. Mühelos wechselt der Wirt von französisch auf deutsch, das finden
wir echt beneidenswert. Im luxemburgischen Radio verstehen wir alles, irgendwie. Für mich klingt es wie Kölsch, sehr ähnlich zumindest; für mich persönlich eher schwer zu verstehen, aber es geht.
o.: Useldingen, Luxemburg
TRIER
In Hilles Hostel können wir endlich selber kochen (und Geld sparen).
Die älteste Stadt Deutschlands, von den Römern gegründet, mit dem ältesten Dom des Landes. Über einem römischen Wohnhaus errichtet, zählte er im 3. Jh. n. Chr. Zu einer der größeren
Kirchenanlagen Europas. Nach Zerstörungen romanisch errichtet, mit der gotischen Liebfrauenkirche verwachsen, Kreuzgang, römische Mauerreste – zu sehen gibt es viel.
Zur Römerzeit war Trier Hauptstadt. Von 260-274 des Gallischen Sonderreiches (Imperium Galliarum), und war größte Stadt nördlich der Alpen.
Während der Tetrarchie, als das Römische Reich in 4 Teilreiche untergliedert wurde war es die Hauptstadt der Präfektur Gallien, zu der damals auch Britannien gehörte. Trier zählt nämlich bereits
zu Gallien (nicht zu Germanien) – zumindest damals.
In den Kaiserthermen ist der ehemalige Badebetrieb nachvollziehbar, die Konstantinbasilika wird bis heute als evang. Kirche genutzt, und das Stadttor „Porta Nigra“ steht wie eh und je.
Auf den Spuren von Karl Marx zu wandeln, einem Sohn der Stadt, passt leider nicht mehr in unseren Zeitplan …
Pfalzel (oder: frier in Trier): Nördlich von Trier, an der Mosel, liegt der beliebte und lauschige Ausflugsort Pfalzel, ein alter Stadtteil. Es beginnt zu schneien, von lauschig und schön sehen
wir leider nicht viel.
LUXEMBURG
Mein Geld ist schon da
Es schneit immer noch. Wir laufen herum. Viele dicke und luxuriöse Autos sind zu sehen. Durch Niederschlag und Matsch bekommen wir ein trübes Bild – aber dafür kann die Stadt nichts.
o.: Luxemburg (Stadt)
r.u.: der Wahlspruch des Landes: Wir wölle bleiwe watt mir sin
ARLON
Auf einmal ist da ein Schild, wir sind schon in Belgien. Im Carrefour-Supermarkt kaufen wir ein, laufen noch ein wenig für Fotos. Es sieht abgerockt aus (postindustriell), die Leute im Supermarkt
machen auf uns einen niedergedrückten Eindruck. Aber das ist nur unsere Momentaufnahme.
o.: Arlon, Belgien
METZ
Gefällt uns auf Anhieb. Eine bunte Stadt, mit der typisch französischen Lebensfreude. Die Stadt heißt [mess] (nicht etwa [mätz]) und ist eine französische Stadt, immer gewesen, lernen wir im
Hotel. Im Gegensatz zum Elsass, wo ein gewisses Deutschtum zu finden ist (zumindest sprachlich).
Durch die Markthalle schlendern, eine Bouchée à la reine probieren, in einem stilvollen Café sitzen, am mittelalterlichen Stadttor (Porte des Allemands) vorbeispazieren.
Die Kathedrale St. Etienne, die „Laterne Gottes“, ist franz. Gotik in Reinkultur. Durch ihre Lage an einem Abhang konnte sie nur etwas schmaler gebaut werden, was die Lichteffekte der
Buntglasfenster verstärkt. Der Eintritt ist frei. Und wie es sich gehört, ziert die Außenfassade ein zünftiges Bestiarium.
(In der Folgezeit werden wir noch 2x zu Besuch kommen, weil es uns so gut gefällt.)
SAARLAND
In Forbach links abbiegen, in Petite-Rousselle (Kleinrösseln) 1x links ab, das gelbe Ortsschild „Großrösseln“ (Grande Rousselle?) passieren, schon sind wir im Saarland. Premiere. Und ich betrete
das letzte Bundesland, das mir noch fehlt (Ja: alle anderen, v.a. die neuen Bundesländer, hatte ich schon lange zuvor besucht).
VÖLKLINGEN
Gilt als die hässlichste Stadt Deutschlands. Nicht nur das lockt uns. Schon von weit sehen wir unser Ziel: die Völklinger Hütte, die Ruine eines ehem. Stahlwerks. Von 1873 bis 1986 wurde dort
Stahl gekocht, über 100 Jahre lang. Die Arbeitsschritte wurden wenig modernisiert, heißt: in den 1980er Jahren wurde ähnlich gearbeitet, wie in den 1880ern. Die Silhouette aus Kesseln, Rohren und
Stahlträgern ist unheimlich weitläufig und mehr als faszinierend (zumindest für Leute wie mich).
Meine größte Überraschung: eine Tafel verrät mir, wieviele Menschen hier in Lohn und Brot standen. Mit Lokführern, Kantinenpersonal – also jeder mit einem Lohnzettel – waren es um die 10.000
(Wikipedia erwähnt sogar 17.500).
Der kleine Ort Völklingen hat 40.000 Einwohner.
Das neue Stahlwerk nebenan (nach anderen Quellen in Dillingen/Saar) beschäftigt 3.500 Leute.
Dass neue Industrien und Dienstleistungen dieses Heer an arbeitslos gewordenen Menschen (nach Schließung der Hütte 1986) gar nicht vollständig aufnehmen können, leuchtet mir ein. Folglich können
wir uns daran gewöhnen, dass Nichterwerbstätige weder dumm noch faul sind (was heute endlich angekommen zu sein scheint), und wir das Geld, das automatisierte Betriebe oder Finanz-„Wirtschaft“
„erzeugen“, anders als bislang verteilt (und auch versteuert) wird. Geld ist mehr als genug da (ich sage nur: Bankenrettung), Arbeit für alle nicht. Diese Gedanken, ausgelöst in Völklingen,
beschäftigen mich bis heute.
(Im Wien Bericht habt ihr erfahren, dass genau das in den 1930ern schon Thema war. Ein kleines Heft aus dem Automaten im Museumsquartier stellt Texte aus dieser Zeit zusammen).
"Industrie - I mog di" - totknipsen ist angesagt (Völklinger Hütte)
Da ich zum fotografieren irgendetwas unterschreiben musste, weise ich darauf hin, dass diese Fotos privat und nichtkommerziell sind, und nur Außenaufnahmen darstellen. Ausstellungen und
Veranstaltungen sind nicht abgebildet. Kommerzielles Interesse verfolge ich damit nicht.
In Saarbrücken übernachten wir günstig, parken direkt unterm Haus (Etap bzw. Ibis Budget), fahren mit der Tram in die Stadt. Am Rathausplatz, in einem der alten Häuser, gibt es Riesenpizza, die
uns rettet.
Ausklang
Wir hatten nach Unterschieden und Besonderheiten gesucht. Und gefunden, dass Menschen und Kulturen mehr gemeinsam haben. Historisch betrachtet gehörten die Regionen oft zum selben Land, auch wenn
dieses oft seinen Namen wechselte (z.B. während des Fränkischen Reichs). Es darf nicht wundern, wenn die Region länderübergreifend zu einer Metropolregion zusammenwächst.
Heute wohnen wir wieder im gleichen Land zusammen: Europa.
Diesen Eindruck hatte ich schon länger (auf Rückreise von China hatte ich mich aufs Heimkommen gefreut. Wo ich die Menschen verstehen kann; weiß was sie meinen, egal wie sie es sagen. Und darin
sind wir Europäer uns sehr, sehr ähnlich).
ANHANG
l.: Metz, Blick aus unserem Fenster des Etap-Hotels (Ibis Budget) auf die Autobahn
r.: Auflösungserscheinungen