Goldachhof
April 2020

Mitten im Erdinger Moos, also mitten im Nichts, steht ein verlassener Gutshof, eine Art Geisterstadt. Viele Ausflügler kommen mit dem Rad, obwohl es hier überhaupt nichts gibt – oder deswegen.

Wir wählen einen 20 Minuten Fußweg (der hin doppelt so lang dauert), von der Ecke Senderstraße / An der Goldach (Sonntag Früh um 9 sind die ganz wenigen Buchten frei, Parken ist sonst echt schwierig).
Der Weg führt an der Goldach entlang – einem der wenigen Bäche, die in voller Länge durch das ehemalige Moorgebiet fließen (bis zur Isar bei Moosburg) und es entwässern.

l.o.: die Goldach

r.u.: der Ackerboden im ehem. Moor ist deutlich dunkler, als auf "üblichen" Feldern

 

Wir sind die Einzigen. Und sehen jede Menge Tiere. Fasane, Rehe, einen Frosch, 2 Eichelhäher krächzend im Anflug (die wir noch nie rufen gehört hatten). Viele Hasen, die übers ganze Feld laufen, auf den Weg und auf diesem davon. Oder sich zu viert auf dem Acker tummeln, kämpfen, sich jagen.
Immer wieder hören wir das leicht rostig klingende „Göck“ der Fasane. Und ganz viel Vogelgezwitscher. Kein einziges Flugzeug zieht nach seinem Start über uns hinweg. (Normalerweise zieht jede südgehende Maschine hier drüber, im Sommer 2019 kam fast minütlich eins. Wegen des „Lockdown“ ist es derzeit ruhig).

 

 r.o.: Suchbild: hier hat sich ein Frosch versteckt

l.o.: Fasan

r.u.: ein Feldhase

 

Unweit des Hofs, am Weg nach Osten, erinnert ein „Marterl“ an die zweiköpfige Besatzung eines Aufklärungsflugzeugs, das im August 1918 hier abgestürzt ist. Aus etwa 1.500 m Flughöhe war es, aus ungeklärter Ursache, ins Trudeln gekommen und am Boden zerschellt. Jede Hilfe kam zu spät. Auf dem Hof gab es schon Telefon. Der Flugplatz Schleißheim (ca. 15 km entfernt, auf dem sich heute ein Flugzeugmuseum beifindet), von dem es gestartet war, schickte auf den Anruf hin umgehend Leute zur Bergung.  

Für mich gestorben? Da wäre ich mir nicht so sicher ... Ich fühle mich als Europäer ...

Verunglückten gedenken? Ja, das schon eher. 

 

Der Goldachhof kam 1905 in den Besitz von Therese Randlkofer, Besitzerin des Feinkostgeschäfts Dallmayr in München (das sie kurz zuvor gekauft hatte). Gegründet um 1854 lag der Hof „tief im Moor“ („Moos“ ist der bayr. Ausdruck für Moor, genauer gesagt für ein Niedermoor), nur über Wege in abenteuerlichem Zustand zu erreichen. Damals stand noch Torfabbau auf dem Plan.
Zügig wurde modernisiert. Die Gebäude wurden gründlich renoviert, Felder kultiviert, der Hof ans Telefonnetz angeschlossen (als eins der ersten Häuser von Ismaning), sogar ein kleines E-Werk für den Eigenbedarf errichtet. (Erst in den 1960ern wurde der Hof ans öffentliche Stromnetz angeschlossen.)

l.o. das restaurierte und wieder betriebsbereite E-Werk

r.o.: die alte Turbine von 1906, direkt davor

l.u.: Blick nach innen

r.u.: Baum mit Ein-Aus-Schalter ???

 

 

Etwa ab den 1980ern endet die Bewirtschaftung des Hofs. Im Gebäude lebten Mieter, bis die letzten im Jahr 2002 auszogen. 2010 kauft Ismaning das Gelände, in schlechtem Zustand, und begann mit Renovierungen. Bis heute ist nicht ganz klar, was aus dem Gelände werden soll.

l.o.: der kleine "Tower" ist das ehem. Taubenhaus

r.o.: die Kapelle (1 Hochzeit mind. ist hier belegt)

M.l.: der Stall (abgebrannt)

M.r.: Blick in die Werkstatt. Was immer da auch gebastelt wird ...

 

 

Das E-Werk wurde wieder in Gang gesetzt, mit neuer Turbine und aktueller Technik. Vor den Fischweihern wurde eine Fischtreppe neu errichtet, die am E-Werk vorbei führt und das Wasser dahinter der Goldach zuführt.
Ein fischliebender Graureiher weiß somit genau, wo er stehen muss, um auf vorbeikommenden Fisch zu warten. Da steht auch schon einer, und lässt sich dabei kaum aus der Ruhe bringen. So scharfe Bilder von ihnen sind mir selten gelungen ;-)

 

 

Historische Infos:
Cornelia Oelwein „Zwischen Goldach und Seebach“,
ISBN 978-3-943866-22-3

 

How to make?

Am besten Ismaning über die Mayerbacherstraße verlassen, die führt direkt hin.

Dort allerdings begrenzte (offiziell keine) Parkmöglichkeiten. Deshalb kommen die meisten mit dem Fahrrad.

Auf dem Hof leben Leute. Bitte Rücksicht nehmen.

 

Den langen Weg, an der Goldach entlang – den nehmen nur Verrückte, oder Entdecker ... und wir.

 

 

 

Hier ein Buch, dessen Handlung genau in dieser Gegend spielt:

 

LINK zum Buch

 

 Werbung (in eigener Sache)

 

 

ANHANG

u.l. das ist mir nicht ganz geheuer ... (auf dem Weg)

u.r.: Biber-Snack (vom Biber angeknabberter Baum, an der Goldach)

 

 

#Achtsamkeit #lostplace