März 2020

 

Oder: Entdeckungen im Dachauer Land

 

 

Maria Birnbaum
(bei Sielenbach, Landkreis Aichach. Gehört, um ein paar Meter, schon zum Regierungsbezirk Schwaben)


Ein in jeder Hinsicht höchst ungewöhnliches Bauwerk. Ein Fantasiebau, für den es in Bayern (außer Neuschwanstein vielleicht) nichts Vergleichbares gibt.
Zentralbau, orthodox inspiriert, frühbarock, vom Deutschen Orden (einem ehem. Ritterorden) betreut. Um einen Birnbaum herum gebaut. Bis 1984 Ziel einer Wallfahrt.
Und das kam so:
1632 kamen die Schweden, im Dreißigjährigen Krieg, hier vorbei. Zerstörten den Renaissancebau von Schloss Stuntzberg gegenüber, samt Weinberg, und -jetzt kommts-: eine Andachtsstätte an einer Eiche, die sie abbrannten. Das Votivbild landete im Jochmoos.
Dort fand es der Dorfhirte, in schlechtem Zustand, und stellte es in einen hohlen Birnbaum am Straßenrand. So weit, so gewöhnlich.
Dann kam Frau Anna aus Südtirol zufällig hier vorbei. Sie war überall fieberhaft auf der Suche nach Erlösung von ihrer Hysterie (ein damals oft und vielfältig verwendeter Begriff), und des „Leibschadens“ ihres Sohnes. Alle „vornehmen Wallfahrten“ hatte sie schon absolviert, kam hier vorbei, und war plötzlich, mitsamt ihrem Sohn, von allen Leiden geheilt. Wie es immer so geht, sprach sich das herum, zog Leute an. Eine Taubstumme konnte wieder sprechen, mehr Leute kamen, hoffend auf eine Wunderheilung.

Das Grundstück gehörte dem Deutschen Orden. Dessen Kontur (Verwalter) war Philipp Jakob von Kaltenthal, nach eigener Darstellung „Küchen- Keller-, Baumeister, Trappierer (Einkleider) und […] Überreiter mit geringen Kriegsdiensten“. Gegen größten Widerstand beim Deutschen Orden und beim Freisinger Ordinariat setzte er einen Kirchenbau durch (um das Bretterhäuschen zu ersetzen), aber Geld gab es keins.
Finanziert wurde der Bau von der Kommende (einer Verwaltungseinheit des Dt. Ordens) und Kaltenthals Privatvermögen – hoffend, die einsetzende Wallfahrt würde die Ausgaben amortisieren.
Ab 1661 wurde gebaut. Bauherr war Constantin Pader aus München (dessen Werke ich alle für außergewöhnlich halte, und erst im Zuge dieser Recherche entdeckt habe). Kaltenthal wollte sich am Pantheon (Rom) orientieren, Pader an ital. Vorbildern. Da es keine Geldgeber gab, die bei der Ausgestaltung mitreden wollten, waren die Künstler frei. Die „üblichen“ opulenten Deckengemälde des Barock fehlen vollständig (wo ganz viele Heilige zwischen den Wolken umherfliegen, etc.).


Maria Birnbaum ist einer der wenigen Bauten, in denen ein fantasiereicher Entwurf komplett umgesetzt wurde.


1668 eingeweiht, noch ohne Türme. Bereits ab 1662 wurde Messe gehalten, weil die Wallfahrt schon florierte.
Kuriosum: das Ordinariat in Freising beanspruchte alle Spenden für sich. (Ja, genau: das sind die Leute, die kein Geld zum Bau geben wollten).

Das Votivbild wurde in den Hochaltar übernommen, später ersetzt. Als die Wallfahrt nachließ, fiel der Bau in einen Dornröschenschlaf. Dadurch blieb der ursprüngliche Entwurf erhalten.

 

Nur der Birnbaum - der ist weg.

 

o.r.: das ist die Liberata. Unter dem Altar liegt eine Mumie, schön (?) verziert mit edlen Gewändern und Brillianten. Damals voll angesagt.

 

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Petersberg Basilika
(bei Erdweg)
Ein tausendjähriges Raum-Zeit-Kontinuum, zumindest sieht es danach aus

Frostig kalt bläst der Wind durch den Wald. Auf einer Anhöhe steht das Kirchlein, als ob es den letzten tausend Jahren hier getrotzt hätte.
Ich trete ein, schließe die Tür, bin alleine – und plötzlich tausend Jahre in der Zeit gereist. Draußen mögen Wölfe heulen, Kriege stattfinden, Räuber umherziehen oder Schneestürme toben – hier drin finde ich Schutz. Kerzenlicht, Ruhe und eine besinnliche Atmosphäre bringen Heimeligkeit und ein Gefühl von Sicherheit in unsicheren Zeiten.

Beständig unbeständig ist die Geschichte des Petersbergs. Kelten und Bajuwaren siedelten zu seinen Füßen, eine Römerstraße führte daran vorbei, auf dem Berg stand Burg Glaneck.

Gräfin Haziga wollte ab 1087 Benediktinermönche der cluniazensischen Reformbewegung aus Hirsau (Schwarzwald) in ihrem Herrschaftsgebiet ansiedeln. Das ging so:
- Erste Gründung: Bayrischzell (direkt an den Alpen): Klima zu rau
- Umzug nach Fischbachau (wenig weiter nördlich): ebenso
- Petersberg: 1104 - 1123, dann Wegzug, wegen Wassermangel
- Scheyern: ab 1119, bis heute

Der heutige Zustand geht maßgeblich auf die Re-Romanisierung von 1906 zurück. Die Fresken sind nicht komplett original. Sie wurden restauriert, aber auch „logisch“ ergänzt, wo die Originale nicht mehr zu erkennen waren. (Damals üblich, heute sieht man davon ab.)
Dazwischen wurde kräftig barockisiert, ausgebessert, umgebaut. So beständig war es hier dann doch nicht.
Auf meinem Rückweg finde ich einen Baum, in den der Blitz eingeschlagen hatte. So weit her ist das Gefühl von Sicherheit im Inneren der Basilika dann auch nicht …

Nach vielen Umbauten sieht heute alles so aus, als hätte sich in tausend Jahren nichts verändert.

 

Nur die Mönche - die sind weg.

2.v.o.r.: Baum, in den der Blitz eingeschlagen hat

 

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Mariabrunn
(zwischen Röhrmoos und Ampermoching)
Vorläufer der Wellness und der schönste Biergarten "wo gibt"

1662 fand ein Ampermochinger Bauer eine Quelle im Wald, trank daraus, und war umgehend von allen Schmerzen und Leiden geheilt. Aus Dankbarkeit brachte er ein Marienbild dort an. Wie es immer so geht, sprach sich das herum, viele Leute kamen und probierten ihr Glück. Der bayr. Kurfürst Ferdinand Maria ließ eine Kapelle und ein Badehaus errichten.
Das Ganze geriet ein wenig in Vergessenheit. Dann kaufte Amalie Hohenester, bekannt als „Doktorbäuerin“ 1863 das Anwesen. Erneut setzte ein Zustrom Heilsuchender ein, darunter mehrere reiche und bekannte Persönlichkeiten, wie Mitglieder des russ. Großadels, angeblich sogar „Sisi“.
Amalie hatte ein breites Angebot an Kräutertees, Salben, Tinkturen etc. Das Geschäft florierte, auch wenn die Wirkung ihrer Präparate nie bewiesen werden konnte und die Behörden ein Verfahren wegen „Kurpfuscherei“ gegen sie einleiteten. Nach heutigem Verständnis war es wohl ein Wellness-Betrieb.

Heute ist dort ein Biergarten, mitten im Grünen, der regelmäßig zu den schönsten Bayerns gewählt wird.
Alles sieht aus, wie vor 200 oder vor 400 Jahren.


Nur die wundertätige Quelle (aus der ihr vielleicht auch mal trinken wolltet) - die ist weg.

 

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Arzbach
(südl. v. Röhrmoos)
Filialkirche St. Johannes und Paulus

Ein weiteres romanisches Kleinod, das lockt mich.
Tatsächlich nur eine Kapelle auf dem Friedhof. Leicht zu übersehen.

 

 


Der Blick zurück
Ich sehe die Silhouette von München.
Und muss an meine Lehrzeit denken, als Kollegen aus dieser Ecke dabei waren. Sie fuhren mit dem Mofa zur S-Bahn, mit dieser in die Stadt, mit dem Bus weiter. Es ist eine Weltreise. Und doch waren sie um 8:00 in der Berufsschule, oder um 7:00 in der Lehrwerkstatt. Abends wieder heim. Dem zolle ich heute großen Respekt.

 

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Markt Indersdorf
(off topic). Ich fahre durch, und halte spontan an.
Kloster Indersdorf
Ab 1120 errichtet, von außen schöne romanische Doppelturmfassade.
Innen barockisiert, mit allem was dazugehört. Inklusive einer reich geschmückten Mumie in einem Glaskasten, damals voll angesagt.

M: die Mumie eines Heiligen, schön geschmückt, mit Brillies und so ... war im Barock voll in

u.M.: das brennende Herz Jesu. Sieht mir eher aus wie ein Brandsatz, oder ein Mollie ...

u.r.: Markt Indersdorf for industry

 

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Und auch das ist "Off-Topic". Es ist so vollkommen leer und ruhig als ich vorbeikomme, was die Unheimlichkeit verstärkt, deshalb muss ich anhalten. Direkt an der Straße. Ein Mahnmal für Demokratie, und gegen Tyrannei in jeder Art.

Das zeigt, zu was Menschen fähig sind, wenn man sie machen lässt, oder gar dazu ermuntert.