Moosburg a.d. Isar
August 2020


Romanik in Bayern plus Birdwatching
Welches Berti kann dieser Todesmischung widerstehen? Na, ich nicht!

Wo bin ich da schon wieder unterwegs?

 

Birdwatching am Ausgleichsweiher


In den 1920 + 30ern entstand der Isarkanal, um 5 Wasserkraftwerke anzutreiben. Überschüssiges Wasser aus Schneeschmelze und Starkregen wurde im Speichersee bei Ismaning „gespeichert“, und kann bei anhaltender Trockenheit eingespeist werden. 1953 entstanden die beiden Upperborn-Kraftwerke bei Moosburg. Um Wasser für sie zu speichern, entstand der Ausgleichsweiher.
Die Tierwelt hatte ihn entdeckt. Parallel zum Speichersee gehört er zu den bedeutenden Vogelschutzgebieten. Dahinter geht es in ein Auwald-Gebiet, zwischen Kanal und Isar. Wegen Vollsperrung lasse ich es diesmal lieber.


Durch Straßensperrung, Parkplatz- und Wegsuche komme ich verspätet an, gegen 07:45.
Zwei Burschen sitzen bereits auf der Bank. Ich sage „Servus“, sie nicken.
„Nicht reinspringen!“, meint einer. (Es hatte zuvor stark geregnet).
„Ach, menno! Ausgerechnet heute ...“, jammere ich.
„Sonst müssen wir Sie rausziehen ...“
„Wozu seid ihr sonst da?“
„Zum blöd daherreden.“
„Ach so.“
Wir lachen in uns hinein. Frotzeln und gefrotzelt werden, das gehört zum guten Ton. So ist das hier, tief in Bayern.

Ich sehe Reiherenten. Ein langes Band aus Enten treibt hinten auf dem Wasser. Ich tippe auf Spießenten. Sie kommen aus Russland und Skandinavien und überwintern hier. Flussseeschwalben fliegen wendig herum. Schauen nach unten, drehen ihren Kopf, suchen im Wasser nach Beute. Sie sind (neben der Schwarzkopfmöwe) so etwas wie der Sympathieträger oder das Aushängeschild des Schutzgebiets. Sie überwintern in Westafrika. Durch den Klimawandel werden sie ihr Brutgebiet wohl weiter nach Norden verlegen müssen, was ihre zurückzulegende Wegstrecke vergrößert. Ob sie das bewerkstelligen können, wird sich noch zeigen.
Um 08:15 ist Schluss. Ich will mehr Fotos machen, doch alle Vögel hängen faul auf dem Wasser herum. Die Morgenaktivitäten sind vorbei, jetzt ruhen sie aus ...

l.o.: Familie Reiherente

r.o.: das müsste eine Flussseeschwalbe sein

2.v.o.l.: ein "Enten-Teppich", ca. Spießenten

M.r.: das Stauwehr. Der Ausgleichsweiher dient als Wasserspeicher, bei Bedarf wird das Wasser dem Isarkanal, rechts im Bild zu sehen, zugegeben.

r.u.: Wasserkraftwerk Uppenborn 1

 

 

Mein Auto steht noch da. Ich hatte dezent in der Abzweige zu einem Hof geparkt, ganz an den Rand, so sozialadäquat wie möglich, einen Zettel mit meiner Handynummer aufs Fenster gelegt, für alle Fälle. Der Bauer fährt vorbei, nickt mir zu und lächelt. Ich fahre rüber in die Stadt, parke an der Schäfflerhalle.
Ein lauschiger Spaziergang von 5 Minuten, durch enge Gassen, vorbei an alten, bunten Häusern, bringt mich zum zentralen Platz "Am Plan".

 

Moosburg
St. Kastulus

 

War eine der älteren, größeren und bedeutenderen Kirchen in Altbayern. Vorgängerbauten reichen zurück bis etwa 770 / 780 n.Chr. Die Kirche gehörte zu einem Kloster, die Mönche stellten sich unter den Schutz von Karl dem Großen (nicht unter den des Bayernherzogs). 816 wird es in der Liste der königlichen Reichsabteien erwähnt.
Da die Franken, zu denen Karl der Große gehört, zuvor in Italien aktiv waren, um den Papst zu unterstützen (die ganze Geschichte habe ich hier, ganz unten, zusammengefasst LINK,), hatten sie Zugang zu dortigen Schätzen. So erklärt sich, warum die Reliquien des Hl. Kastulus aus Rom hierher kamen.
Zwischen 883 und 906 wechselt der Besitzer, die Kirche kommt zum Bistum Freising. Zwischen 1184 und 1212 findet, nach einem Brand, der Neubau statt, auf dem die heutige Kirche aufbaut. 1604 werden die Reliquien von Kastulus nach Landshut verlegt.


Wer die Kirche von Westen betritt (kaum einer außer mir), steht zwangsläufig vor dem romanischen Westportal. Bemerkenswert sind die unterschiedlichen Farben und Muster der einzelnen Säulen. (Für Altbayern schon ungewöhnlich genug)

 

Heute haben wir ein Ensemble aus großem, romanischem Hauptschiff, gotischen Seitenschiffen, hochgotischem Chor. Die gotische Ausstattung besticht durch Detailreichtum. Ein komplettes, hölzernes Chorgestühl (von 1475) ist genauso erhalten, wie viele Schreine und Reliefs.
Bis 9:00 bin ich der Einzige, dann kommt ein alter Mann (durch das Südportal) in die Kirche, spricht beim Gehen halblaut ein Gebet vor sich hin, bemerkt mich nicht. Um 09:30 kommen mehrere Leute (durch das Südportal), gehen direkt zu einem Marienandachtsort an der Südseite, um dort Kerzen anzuzünden. Mit der Morgenruhe ist es nun endgültig vorbei.

3. Reihe v.o.: Black Madonna mit Black Jesus - politisch korrekt

 

Am Ende meines Rundgangs entdecke ich, unter dem Aufstieg zur hölzernen Kanzel von 1856, ein Mahnmal. Es ist klein, man kann leicht daran vorbeilaufen. Eine Frau mit verbundenen Augen symbolisiert „Die Synagoge“. Das ist nicht sonderlich nett, überhaupt nicht nett, zeigt aber, wie viele Menschen des 19./20. Jh. gedacht haben. Das Judentum ist blind (= Augenbinde) für die christliche Heilslehre, klammert sich lieber an die 10 Gebote (die Zahlen auf der Säule stellen sie dar). Wenn der Pfarrer die Kanzel betritt, kann er dem Judentum symbolisch auf den Kopf steigen.

Das Mahnmal "Frau Synagoge"

(aus hoffentlich endgültig vergangenen Zeiten)


Das Ganze ist, wie gesagt, ein Mahnmal. Hoffen wir, dass dieses Denken nicht zurückkommt.

Das 2. Vatik. Konzil (um 1963) rückt dieses Bild gerade, betont die lange gemeinsame Vergangenheit beider Religionen, und verurteilt jede Verfolgung von Menschen.
Quelle: Kirchenführer „Kastulusmünster Moosburg“, Kunstverlag Josef Fink,
ISBN 978-3-89870-998-9, S. 22-24 (vor Ort erhältlich).

Um 10:00 verlasse ich das Gebäude durchs Südportal. Der Platz davor ist voll, mit Autos und Menschen, die morgendliche Ruhe ist endgültig vorüber. Ich habe mehr als genug entdeckt, und kann wieder heimfahren.
Moosburg ist ein nettes Städtchen, und ich komme gerne wieder.